Um:Orientierung und Rechtsformen
Gemeinwohlorientierte Unternehmen: (K)eine Frage der Rechtsform?
Auf den ersten Blick ist alles ganz einfach: Zu den gemeinwohlorientierten Unternehmen “können Unternehmen jeglicher Organisations- und Rechtsformen gehören”, schreibt die Bundesregierung in Ihrer Nationalen Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen. Vereine, Gesellschaften bürgerlichen Rechts oder mit beschränkter Haftung, Genossenschaften, Aktiengesellschaften oder Stiftungen – Sie alle haben demnach das Zeug zum Gemeinwohl. Statt auf starre Regelungen in Bezug auf bestimmte Rechtsformen zurückzugreifen, bezieht sich die Definition auf inhaltliche Kriterien.
Entscheidend ist, dass gemeinwohlorientierte Ziele den Sinn und Zweck der Geschäftstätigkeit darstellen. Gewinne aus der Geschäftstätigkeit sind größtenteils wieder in die Erreichung dieser Ziele zu Investieren. Zusätzlich aber sollen – und da wird es interessant – “die Organisationsstruktur oder Eigentumsverhältnisse gemeinwohlorientierter Unternehmen dieses Ziel widerspiegeln (…), indem sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind.”
Quelle/Datengrundlage: 3. Deutscher Social Entrepreneurship Monitor 2020/21
Transparenz und Mitbestimmung gestalten: Unterschiedliche Voraussetzungen
Grade in Bezug auf diesen Punkt weisen die jeweiligen Rechtsformen teils deutliche Unterschiede in ihren Anlagen auf. Dabei ist es nicht so, dass nicht auch eine GmbH oder eine AG durch Ihre jeweiligen Satzungen, Geschäftspraktiken und die Vergabe der Gesellschaftsanteile so ausgestaltet werden können, dass sie transparente und partizipative Organisationen sind. Andere Rechtsformen wie der eingetragene Verein oder die eingetragene Genossenschaft bringen in dieser Hinsicht jedoch eher von Haus aus passende Veranlagungen mit:
Die Anzahl der Stimmen ist anders als bei AG und GmbH nicht an die Höhe der Kapitalbeteiligung gebunden. Jedes Mitglied hat auf der General- oder Mitgliederversammlung, auf der die wesentlichen Entscheidungen gefällt werden, eine Stimme. Vorstand- und ggf. Aufsichtsrat werden demokratisch gewählt. Die Pflichtmitgliedschaft in einem Prüfungsverband sichert im Falle der Genossenschaft nicht nur die innere Transparenz, sondern sorgt durch die Veröffentlichung der Prüfungsberichte auch dafür, dass das Handeln von außen nachvollziehbar bleibt. Zwar sind grade Genossenschaften gesetzlich vornehmlich dem Wohl ihrer Mitglieder verpflichtet, das steht gemeinwohlorientiertem Handeln jedoch nicht grundsätzlich entgegen.
Im Umkehrschluss ist deshalb jedoch nicht jede Genossenschaft und jeder Verein als gemeinwohlorientierte Organisation einzustufen. Dafür braucht es einen Blick ins Detail: Welche Ziele und Zwecke verfolgen die Organisationen? Richtet sich das Angebot vor allem an die Mitglieder, wer sind diese und wie offen ist die Mitgliedschaft? Die gelebte Praxis ist deutlich aussagekräftiger, als die Rechtsform für sich genommen.
Steuer- und Finanzierungsfragen im Einzelfall betrachten
Doch auch über Aspekte der Transparenz und Mitbestimmung hinaus können Fragen des unternehmerischen Alltags stark mit der Rechtsform zusammenhängen. Während es keine eigene Form für gemeinwohlorientierte Unternehmen gibt, gibt es für steuerlich anerkannte gemeinnützige Kapitalgesellschaften neben dem verbreiteten eingetragenen Verein beispielsweise auch die Sonderform der gemeinnützigen GmbH, kurz gGmbH. Für diese gelten jedoch weitere besondere Anforderungen, die in der Abgabenordnung geregelt sind. Zu beachten ist insbesondere, dass diese Gesellschaften nur bestimmte, förderungswürdige Zwecke verfolgen dürfen.
Und auch im Bereich der Förderprogramme gibt es derzeit noch vereinzelte Fallstricke. So sehen die Förderkreditprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau derzeit noch die Körperschaftssteuerpflicht als Voraussetzung für die Kreditgewährung vor – und schließen somit vorläufig bestimmte Rechtsformen und Geschäftsmodelle aus.
Rechtsformen in Bewegung: Verantwortungseigentum und Genossenschaftsgesetz
All das ist jedoch nicht statisch und kann kurzfristigen Veränderungen unterliegen: Während im Rahmen der Nationalen Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen eine Anpassung und Ausweitung verschiedener Förderprogramme geprüft werden soll, befinden sich auch die Rechtsformen selbst im Wandel. Zu den wichtigsten anstehenden Neuerungen dürfte dabei die geplante Novelle des Genossenschaftsgesetztes gehören, die digitale Strukturen vereinfachen, die Rechtsform attraktiver machen und unseriöse Genossenschaftsmodelle erschweren soll.
Zumindest derzeit ins Stocken geraten ist die Idee des sogenannten Verantwortungseigentums, bei dem die Eigentümer*innen zwar Stimm- und Teilhaberechte, aber keinen Anteil am Gewinn des Unternehmens haben. Um dieses Modell umzusetzen, war im Koalitionsvertrag von 2021 die „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ als eigene Rechtsform im Gespräch. Dabei soll das Kapital einer Gesellschaft dem Zugriff durch die Gesellschafter*innen entzogen werden, um stattdessen allein und dauerhaft ihren satzungsgemäßen Werten und Zielen zugutekommen. Im Gegenzug sahen die Befürworter*innen für das nunmehr an das Unternehmen gebundene Kapital eine Entlastung bei der Erbschaftssteuer vor.
Zwar wird die Umsetzung derzeit nicht aktiv weiter verfolgt, das Themenfeld der Rechtsformen bleibt aber grundsätzlich in Bewegung. Um so wichtiger ist es, die eigenen Voraussetzungen im Einzelfall zu prüfen und abzuwägen, bevor die Entscheidung zur geeigneten Rechtsform gefällt wird.
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Der vorliegende Artikel stellt keine Rechtsberatung dar und dient lediglich der allgemeinen Information. Obwohl wir uns um gründliche Recherchen bemühen, sind Fehler nicht ausgeschlossen. Wir empfehlen, sich wegen Ihres individuellen Anliegens beispielsweise an Beratungsstellen, Rechtsanwält*innen oder Steuerberater*innen zu wenden.
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Der Podcast Um:Orientierung wird durch das Förderprogramm “REACT with impact – Förderung des Sozialunternehmertums” finanziert.